Inhalt

Offener Brief des Oberbürgermeisters an das SRH Klinikum Zeitz zur Geburtenstation und Kinderklinik

Offener Brief vom 27.02.2023

Sehr geehrte Frau Neubauer,
Sehr geehrter Herr Stalla,

mit großem Entsetzen habe ich am Samstag eine Nachricht von der möglichen Schließung der Geburtenstation und der Kinderklinik zum 1. Mai 2023 in Zeitz vernommen. Gleichzeitig soll der Standort Naumburg in diesen Bereichen gestärkt werden.
Wie Sie sicherlich wissen, wurde der Standort Zeitz erst am 01.04.2020 durch SRH von der Klinikum Burgenlandkreis GmbH übernommen. Dem vorausgegangen waren unter anderem zahlreiche Demonstrationen unter bemerkenswert starker Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger von Zeitz sowie des Umlandes. Schließlich verpflichtete sich der Burgenlandkreis sogar zur Aufrechterhaltung der Geburtshilfe/Frauenheilkunde und der Kinderheilkunde in Zeitz nach der Übernahme zu einem Defizitausgleich aus dem Kreishaushalt, weil gerade diese Bereiche von herausragender Bedeutung für die Menschen in und um Zeitz sind.
Ich habe mich 2016 der Verantwortung des Oberbürgermeisteramtes gestellt, um Zeitz voranzubringen. Ich tat dies auch, weil ich großes Vertrauen in unser politisches System habe und überzeugt davon bin, Zeitz mitgestalten und der Region wieder Perspektiven für die Zukunft geben zu können.
Denn nicht nur Zeitz wurde nach dem Strukturumbruch von 1989 stückweise degradiert und zwar vom Bund, vom Land und auch vom Landkreis. Die Entscheidung des Landes Sachsen-Anhalt zur Kreisgebietsreform 2009 treibt diese Entwicklung mit großen Schritten voran.
Nun frage ich Sie: Was passiert, wenn die Politik wirtschaftlichen Entwicklungen nur hinter rennt? Sie verliert ihre Legitimation: das Vertrauen der Bevölkerung.
Wenn ich als wirtschaftsnaher Volksvertreter der Politik Priorität vor der Wirtschaft einräume, weiß ich wovon ich rede. Ich bin Oberbürgermeister einer Kommune, die sich seit 2018 in Konsolidierung befindet und aufgrund von Überalterung schrumpft. Und dennoch haben wir – hat Zeitz – es geschafft, einen großen Teil seiner freiwilligen Aufgaben fortzuführen, die Lebensqualität hier vor Ort zu erhalten. Das ist nicht selbstverständlich.
Wie haben wir das geschafft? Indem wir einerseits wirtschaftlich denken, aber auch den Mut haben, politisch zu handeln, Gestaltungsspielräume zu erkennen und für sie zu kämpfen. Ich war und bin stets ein Verfechter unseres politischen Systems gewesen, habe immer nach Wegen und Möglichkeiten gesucht, mit dem Land und dem Burgenlandkreis zusammenzuarbeiten, gemeinsam nach Lösungen und Chancen zu suchen. Meine Erfahrung sagt mir: Es ist wirklich oft gelungen! Es geht! Wir haben es bereits geschafft, die Abwanderung zu stoppen. Jetzt müssen wir die politischen Rahmenbedingungen dafür gestalten, dass noch mehr Menschen in die Zeitzer Region ziehen und hier Familien gründen wollen.
Allerdings sehe natürlich auch ich, dass die „großen“ Strukturentscheidungen seit 2009 immer zugunsten von Naumburg ausgingen. Die Skepsis der Zeitzerinnen und Zeitzer an den Versprechungen der Politik ist daher leider berechtigt.
Wenn das so weiter geht, macht sich der gesamte Burgenlandkreis, machen wir uns selbst kaputt. Mit dem Erhalt der Geburtenstation steht und fällt auch ein Teil der Zukunft von Zeitz und des Burgenlandkreises und der Identität. Gerade jetzt in Zeiten einer weiteren immensen strukturellen Veränderung hier im Kernrevier des Braunkohlestrukturwandels wäre es ein fatales Signal.
Die medizinische Daseinsfürsorge vor Ort ist aktuell ohnehin sehr angespannt. Lösungen für den Ärztemangel gibt es seitens der Politik immer noch nicht. Und das, obwohl Bund und das Land es sich auf die Fahnen geschrieben haben, ländliche Regionen zu stärken und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.
Wie sollen unter diesen Bedingungen gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden?
Ich kann nur eindringlich warnen: wenn das Geburtenstation und Kinderklinik fallen, würden die Erfahrungen der Vergangenheit wiederholt: Zeitz und auch andere Kommunen um Zeitz werden weiterhin abgehängt – und zwar schon wieder zugunsten von Naumburg.
Die Enttäuschung der Menschen hier vor Ort in die Politik ist derzeit riesengroß und wahrscheinlich nicht wieder gut zu machen. Wir brauchen dringend mehr politischen Gestaltungswillen und zukunftsfähige Lösungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das können!
Halten sie die vertragliche Vereinbarung zur Aufrechterhaltung von Geburtenstation und Kinderklinik ein. Lassen Sie uns erforderlichenfalls gemeinsam auf die Suche nach geeigneten Ärzten und Pflegepersonal gehen, sollten dies die Ursachen sein, denn die Menschen brauchen Sie hier vor Ort.

In Erwartung einer baldigen Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Christian Thieme
Oberbürgermeister

27.02.2023 
Quelle: Stadt Zeitz